Fronleichnam – Kolumne

Er hat sich bewahrheitet, dieser Leichnam eines Feiertages. Es sei immer der Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitsfest, hat mir das Internet erklärt, nachdem ich wissen wollte, was es eigentlich mit diesem Fron-Leichnam auf sich hat. Dreifaltigkeit?

Er zog sich hin, ziemlich lange und träge, mit viel Wind, viel Sonne, viel Wolken, von allem zu viel, zu viel zum Rausgehen und zu wenig zum drin bleiben, so einer dieser Tage eben, die zu nichts gut genug sind, zu nichts taugen, eine Art Hohlraum, ein Zeitloch, etwas Undefinierbares mit dem sich irgendwie nichts anfangen lässt, zeitlich schlecht zu fassen, kaum einteilbar, mal sieben, dann zwölf und sehr viel später doch erst ein Uhr. Meine Tochter sass mehrheitlich vor dem Laptop, mehrheitlich im Pyjama, und wenn Sponge-Bob im Fernseher etwas vom Unerträglichsten ist, was einen passieren kann, dann macht er, plattgedrückt über den Laptop, Lust auf etwas, was durchaus schlussendlich etwas mit Leichnam zu tun haben könnte…

„Komm“, sagte ich zu ihr, „wir machen das mit dem Schrank“ – damit was gemacht wurde, worden wäre, an diesem Fronleichnam. Aber zuerst würde ich die Rückwand rausschrauben, hab ich ihr gesagt, dann die Decken auslegen, dann den Schrank drauf, dann auseinander nehmen, dann runter tragen, ein ganzes Programm, weg vom Hohlraum, weg von Sponge-Bob. Einen Teil der bereits gelockerten Schrauben hab ich wieder angezogen, hab mir was überlegt dazu, doch, durchaus, so Hälfte Hälfte, dachte ich, eine Balance zwischen an- und nicht angezogenen, wollte ja nicht, dass das Ganze zu Gunsten der unangezogenen ausgehen würde. Dann also die Schrauben hinten an der Platte: viele kleine Schrauben, ein paar etwas schräg, ein paar bereits etwas locker, dann die letzte…und unter meinen Händen verselbstständigt sich der Schrank, oder das, was vorher Schrank war, ungeachtet meiner Überlegungen, geht mit Getöse, Gekrach und Geächze irgendwie in die Knie, dort, wo die Schrauben nicht angezogen waren, reisst sich auseinander dort, wo sie es waren, ich ein Stück weit mit ihm, meine Hände, wo sie hinlangen können, meine Füsse irgendwo dazwischen, eine Stellung, die mich ans Power-Yoga erinnert, nicht der stolze Krieger, nein, wohl eher der heulende Hund. Ich hab geflucht und geschrieen und gehalten, was noch zu halten war. Viel war’s nicht– meine Tochter hat mich befreit, einen Teil nach dem anderen sorgfältig weggetragen – „ging jetzt doch eigentlich ganz schnell und einfach“, hat sie gesagt.

Die Schramme an meinem Unterarm hatte viel Ähnlichkeit mit jener am Boden, mit dem Unterschied, dass jene am Arm verheilen wird…und ich war wütend, über mich, den Schrank, die fehlende Logik und den Zusammenhang zwischen einer billigen Spanplatte, zwei Schrankwänden und einem Tablar – die heilige Dreifaltigkeit?

Und so werden wir jetzt auch an diesen Fronleichnam erinnert werden – wie an so viele andere Tage, jede Schramme in unserem Boden eine Geschichte, jene bei meiner Tochters Tür, als ich die Wohnwand mit Raku-Schale zügelte, jene unten an der Treppe, als ich mein Zwei-Meter Bett vom oberen Stock runterholte, jene zwischen Wohn- und TV-Zimmer, als ich den Festtisch für mein alljährliches  Herbstfest aufstellte und jetzt die Fronleichnam-Schramme…

 Manchmal wünsche ich mir meinen schrecklichen Teppich zurück, der fand es mindestens nicht nötig, jede meiner Ungeschicklichkeiten zu dokumentieren…

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